Pro-Ject MaiA DS2

Manchmal hast du Pech.

Und manchmal brauchst du nicht mal Pech, um total neben den Schuhen aufzuwachen. Was einem Pro-Ject Kunden so alles passieren kann.
MaiA DS2 Front
Sieht gut aus, keine Frage. Spielt auch so.

Im Herbst 2021 wurde es notwendig, meine Verstärkerlandschaft zu erneuern. Ende November entschied ich mich für einen Vollverstärker von Pro-Ject. Die MaiA DS2 sollte es werden. Ein Gerät der besseren Mittelklasse also. Klanglich sollte er meiner über 30 Jahre alten Linn-Kombination aus dem Vorverstärker Wakonda und zwei LK240 Mono-Endstufen (https://www.weinzettl.info/2022/06/25/linn-wakonda-und-2x-lk240/) wenigstens das Wasser reichen können.

Dazu wollte bzw. musste ich auch Audio-Streaming unterstützen, um weiterhin Radioempfang zu gewährleisten. Die analoge Versorgung mit Radiosignalen war von meinem Provider abgeschaltet und durch digitale Signale ersetzt worden. Podcasts u.ä. waren auch gefragt. Zu diesem Zweck wurde ein MultiCast WCX-50 von Yamaha angeschafft. Synchroner Client in der Küche wurde ein ISX-18D Restio, ebenfalls von Yamaha, gekauft.

Die Beschaffung des Pro-Ject Vorverstärkers gestaltete sich schwierig. In Österreich – weder bei Katzenbeisser in Wien noch bei Akustik-Projekt in Kirchberg, meinen beiden bevorzugten Pro-Ject-Lieferanten – war eine MaiA DS2 in schwarz lieferbar. Nicht ab Lager, aber auch nicht in absehbarer Zeit. „Wahrscheinlich ein Auslaufmodell“, wie es hieß. Ein Nachfolgemodell sei noch nicht bekannt. Manchmal hast du Pech.

Aber schließlich gibt es Pro-Ject-Produkte nicht nur in Österreich zu kaufen. In München war eine schwarze MaiA DS2 lagernd. Der Preis lag bei EUR 924,-, also im Rahmen des Üblichen. Drei Tage später landete die MaiA in Wien. Am folgenden Wochenende war sie auf- oder eher eingebaut und verkabelt.

Schön kompakt, die Pro-Ject MaiA, Klanglich war die MaiA für meine alten Ohren ebenfalls sehr okay. Auch der Phono-Vorverstärker arbeitete tadellos, wie ich es erwartet hatte. Die Anschlussfreudigkeit der MaiA war und ist in ihrer Preisklasse sowie einzigartig:

Pro-Ject MaiA DS2 Rückseite
Die Pro-Ject MaiA DS2 verfügt über eine Vielzahl an externen Anschlüssen: 4x Stereo Line In (RCA), 3x Digital Audio In (1x koaxial, 2x optisch), 1x Tape Out (RCA), 1x Pre Out (RCA), 1x Sub Out (RCA), 1x Kopfhörer (6.35mm). Darüber hinaus bietet sie noch USB und Bluetooth.

Und die MaiA DS2 arbeitet mit hochauflösender digitaler Audiosignalspeicherung DSD256 und beherrscht auch den aptX Codec.

Ich hätte glücklich sein sollen. Oder, anders ausgedrückt: Ich war glücklich. Aber…

Die Fernbedienung

Nun ja, manche Macken zeigen sich erst im täglichen Betrieb. Als Fernbedienung war ein scheckkartengroßes Kunststoffteil beigepackt. Da war ich, ehrlich gesagt, ein wenig schockiert, zumal die Haptik der Fernbedienung leider auch dem optischen Eindruck entspricht. Aber sie funktioniert.

Die Fernbedienung

Ferngesteuert könnte die MaiA auch mit Apps werden, solchen von Pro-Ject und anderen von z.B. auch von BroadLink, wozu es allerdings eine zusätzliche, aber sehr kostengünstige Hardware braucht. Bei mir ist z.B. eine BroadLink RM4 Pro im Einsatz.

Warum erwähne ich BroadLink in diesem Zusammenhang? Weil die aktuelle App von Pro-Ject auch mehr weiterentwickelt wird; das Nachfolgemodell MaiA DS3 kann damit bereits nicht mehr gesteuert werden.

Bedienung

Ansonsten waren der Vollverstärker und seine Bedienelemente zufriedenstellend. Was mich persönlich zunächst etwas störte, war, dass die schaltbaren Eingänge nur mehr mit Ziffern beschriftet waren. Nix mehr „Phono“, „Tuner“ etc. auf der Fernbedienung, sondern nur mehr „1“, „2“ usw. Auf der Frontseite des Geräts hingegen gibt es noch Bezeichnungen. Die LED, die den Betrieb des Phono-Vorverstärkers anzeigt, ist mit „Phono“ beschriftet, analoge Quellen sind mit „Line“, digitale mit „Digital“ und den jeweiligen Ziffern beschriftet. USB und Bluetooth sind ebenfalls an der Frontplatte beschriftet. Mit einer Schriftgröße, die dem kompakten Design des Verstärkers entspricht, also leider bereits aus einem Meter Distanz nicht mehr lesbar.

Auf dem Bild ganz oben sieht die Beschriftung zwar noch ausreichend groß aus, aber bedenke, dass die MaiA insgesamt nur 6,8cm hoch ist. Dann stell dir vor, du willst aus drei oder vier Metern ablesen, welcher Audioquelle eben geschaltet ist.

Klar ist aber auch, dass heute eine Vielzahl verschiedenster Geräte mit sowohl analogen als auch USB- und verschiedene digitalen Anschlüssen oder auch Bluetooth ein und denselben Verstärker teilen müssen. Da ist es nahezu unmöglich, alle Anschlüsse fix zuzuteilen. Das war und ist für mich also nachvollziehbar, andererseits für meine Frau eine echte Hürde beim Bedienen der gesamten Anlage. Ein gutes Gedächtnis hinsichtlich der Anschlüsse hilft bei der Zuordnung. Ein gutes Gedächtnis hat sie durchaus, aber die Zuordnung der Anschlüsse unserer HiFi-Anlage steht auf ihrer Prioritätenliste ganz unten.

Blöd auch, dass dem Gerät keine aktuelle Bedienungsanleitung beilag. Die wurde allerdings auf Nachfrage vom Händler prompt nachgereicht.

Bluetooth

Echte Probleme gab es mit Bluetooth-Verbindungen. Das fängt schon damit an, dass jede neue Verbindung erst stattfinden kann, wenn zuvor die letzte Verbindung – und zwar vom verbundenen Gerät, nicht vom Verstärker aus – getrennt wurde. Kein Scherz. Hast du also z.B. unlängst ein iPhone mit der MaiA verbunden und willst heute deinen PC an die MaiA anschließen, so musst du zuerst manuell das iPhone in den Einstellungen des iPhones von der MaiA trennen, um überhaupt wieder an die Bluetooth-Schnittstelle des Verstärkers andocken zu können. Klingt blöd, ist es auch, wenn auch einmal verbundene Geräte an Bluetooth gut funktionieren.

Spätestens da war ein Punkt erreicht, an dem meine anfängliche Zufriedenheit in Ratlosigkeit umschlug. Nachdem mein Händler meine Fragen auch nur an den Hersteller weitergeben konnte und Pro-Ject seinen Wiener Servicepunkt ganz in meiner Nähe betreibt, ging ich gleich zum Schmied.

Das Tauschangebot

Das Ergebnis war ernüchternd. Das Bluetooth-Problem ließ sich nicht beheben. Bluetooth war einfach so, wie es war, konzipiert. Aber ich möge mich doch direkt an die Zentrale, an Herrn H. wenden, der wüsste noch viel besser Bescheid. Und der wusste nicht nur, der tat auch. Er sagte mir zu, die MaiA DS2 gegen das demnächst erscheinende Nachfolgemodell DS3 zu tauschen. Das hätte nicht nur einen anderen Bluetooth-Chip, sondern auch eine „üblichere“ Vorgehensweise beim Aufbau einer Bluetooth-Verbindung. Dort würde nämlich vor dem Aufbau jede vorherige Verbindung automatisch von sich aus getrennt werden. Passt so weit. Und die Tauschzusage war fantastisch, das hatte ich gar nicht erwartet. Begeisterung vorerst!

Nun „demnächst“ ist ein dehnbarer Begriff. Gekauft hatte ich im Dezember 2021, im Frühjahr 2022 sollte die DS3 erscheinen. Es zog sich dann aber doch dahin. Sommer, nein Herbst. Sicherheitshalber ließ ich mir die Tauschzusage immer wieder bestätigen, das Gerät wurde schließlich nicht frischer. Mitte November 2022 war es dann so weit.

Der Tausch sollte in der Pro-Ject-Zentrale in Mistelbach stattfinden. Ich verstaute die MaiA also wieder in die Originalverpackung und begab mich auf den Weg; meine Liebste begleitete mich. Im großen Schauraum diskutierten wir noch eine weitere Problemstellung. Es sollte auch ein Problem mit Streaming samt Synchronisation in weitere Räume gelöst werden. Dazu wären zwei Streaming Boxen S2 nötig. Eine Demonstration verlief erfolgreich. Alles bestens.

Alles bestens?

Wie sollte der Umtausch nun stattfinden? Die neue MaiA DS3 war von Pro-Ject im Preis gegenüber der DS2 deutlich, also um etwa 20%, angehoben worden. Technisch kaum zu rechtfertigen, aber: … die Bauteile haben solche Lieferschwierigkeiten derzeit … und dann wird doch alles teurer …, Sie wissen schon …

„Haben Sie die Rechnung mit?“ Nein, aber ich konnte sie auf mein Handy hochladen. „Ich gehe jetzt mal nachfragen, wie wir das lösen können. Wollen Sie einstweilen einen Kaffee?“ Ich wollte.

Zwei Minuten später: „Sie haben das Gerät in Deutschland gekauft. Da können wir gar nichts für Sie tun“. Wie bitte?! Was ist denn mit der immer wieder erneuerten Zusage? „Ich bin davon ausgegangen, dass Sie das Gerät in Österreich gekauft haben.“ Das hatte ich denn nun wirklich nicht behauptet. Hatte mich auch niemand gefragt. Und welchen Unterschied sollte das für den Hersteller des Produkts machen? „Wir hätten das über den österreichischen Händler ausgetauscht, nicht selbst.“

Ich war sprachlos – und bin es noch immer. Da erfolgte eine Zusage zum Austausch eines Gerätes auf die nächste Generation auf der Annahme, der – zu diesem Zeitpunkt noch nicht mal bekannte – Händler würde sich schon zum Austausch überreden lassen? „Wie auch immer, wir können in dem Fall gar nichts für Sie tun.“

Ich hatte wegen des Tauschangebots die Pro-Ject MaiA nicht an den Händler retourniert und auf diese Weise die Rücktrittsfrist nach Internetkauf verpasst. Ein Jahr lang hatte ich mich mit der Bluetooth-Misere abgefunden. Ich hatte drei Stunden Zeit für den Besuch der Pro-Ject-Zentrale vergeudet und Kosten für Hin- und Rückfahrt in Kauf genommen. Und ich war vor den Kopf gestoßen worden.

Gut, das mit „wir können gar nichts für Sie tun“ stimmt so auch wieder nicht: Pro-Ject hat angeboten, meine MaiA DS2 im Werk hinsichtlich seiner Bluetooth-Mängel zu überprüfen. Danach könnte man die MaiA nach Wien senden, wo ich sie abholen könnte.

Dieses Angebot habe ich nicht wahrgenommen. Ich war dermaßen schockiert über den Ausgang meiner kleinen Reise, die mich drei Stunden Zeit plus Ab- und Wiederaufbau der Anlage zu Hause gekostet hatte, dass sogar der Espresso ungetrunken stehen blieb. Aber wäre ich noch ein paar Minuten länger im Werk geblieben, hätte ich das wahrscheinlich schwer bereut.

Ich bevorzuge österreichische Hersteller wie Pro-Ject und österreichische Händler; eine Art von Familie eben. Nein, ich werde trotzdem keine Geräte von Pro-Ject mehr kaufen, denn wer Pro-Ject in der Familie hat, braucht keine Feinde mehr. Der Plattenspieler, ein Pro-Ject Debut Carbon Esprit, bleibt bei mir, alle anderen Geräte dieses Herstellers, wie gut sie auch sein mögen, werde ich ersetzen, um endlich wieder zu einer stimmigen Lösung meiner Audio-Anforderungen zu kommen.

Einer der Händler, die mir seinerzeit keine schwarze MaiA mehr liefern konnte, hatte schon eine Idee. Bluesound. Okay. Bei näherer Betrachtung ist es nun ein NAD C700 als Steuerzentrale mit integrierter Streaming-Lösung geworden. NAD ist mir aus früheren Zeiten als „klangvoller Hersteller“ vertraut und arbeitet ebenfalls mit BluOS. Kein Wunder, ist doch Bluesound ein Tochterunternehmen von NAD. Dazu ein paar aktive Lautsprecher-Komponenten von Bluesound, und fertig ist die neue Versorgung unserer Wohnung mit Audiosignalen aus allen Quellen. Und aus der bunten Ansammlung verschiedener HiFi-Geräte im Regal ist nun auch noch eine optisch ansprechende Lösung geworden.

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